„Wie bleibt unser Hirn unhackbar?“

Cyberagentur-Thema

Gehirn-Computer-Schnittstellen

Eine Drohne fliegt über eine Landschaft und scannt die Umgebung, sie dreht Kreise, steigt auf und geht in den Sinkflug. Doch der Mensch, der die Drohne steuert, hat gar keine Fernbedienung, sondern denkt die Befehle. Nach demselben Prinzip könnte ein Auto gesteuert werden, oder eine Maschine. Was wie Science Fiction klingt, könnte nach Ansicht von Forscher:innen eines von vielen Szenarien sein, wie Mensch und Maschine künftig noch enger zusammenarbeiten – mit einer direkten Verbindung zwischen Computer und Gehirn.

Wir bei der Cyberagentur beschäftigen uns intensiv mit der Technologie der Gehirn-Computer-Schnittstelle, auch Brain-Computer-Interface (BCI) genannt. Am 22. September wollen wir mit Forscher:innen und Expert:innen darüber diskutieren unter dem Stichwort: „Privatsphäre Gehirn: Können Maschinen unsere Gedanken lesen?“.

Warum das Thema für die relativ neue Einrichtung des Bundes so interessant ist und warum wir darüber öffentlich diskutieren wollen, sagt der Themenverantwortliche Dr. Simon Vogt.

Warum beschäftigt sich die Cyberagentur mit Gehirn-Computer-Schnittstellen?

Vogt: Die Aufgabe der Cyberagentur ist es, potenziell bahnbrechende Technologien zu identifizieren, die das grundlegende Potenzial haben, die Sicherheit unseres Landes zu beeinflussen. Das fängt bei der Sicherheit jedes Einzelnen an, betrifft unsere Infrastrukturen, aber auch die Sicherheit der Gesellschaft und der Bundesrepublik Deutschland. Viele denken bei Cybersicherheit an klassische IT-Sicherheit und Abwehr von Cyberkriminellen und Hackern, aber das Feld ist viel größer. Mensch und Maschine werden immer mehr zusammenwachsen.

Aber was hat dieses Zusammenspiel von menschlichem Gehirn und Computer mit Cybersicherheit zu tun?

Vogt: Das zahlt sogar auf die Definition von Cybersicherheit im engeren Sinne ein. Denn unser Gehirn ist unsere höchste Instanz von Privatheit, mit all unserem Wissen, unseren Erinnerungen und unseren Gedanken. Wenn Computer eine direkte Verbindung zum Gehirn haben und dort Daten auslesen und wir im Zweifelsfall nicht merken, welche Informationen wir dabei unbewusst preisgeben, dann stellt sich die Frage sehr konkret: Wie kann die Privatsphäre unseres Gehirns gesichert und unser Gehirn vor Manipulationen geschützt werden. Oder plakativ gesagt: Wie bleibt unser Hirn unhackbar?

Warum gehen wir mit dem Thema gerade jetzt an die Öffentlichkeit?

Vogt: Weil wir uns im Moment an einem entscheidenden Punkt in der Forschung befinden, an dem die Erkenntnisse verschiedener Disziplinen zu einer Explosion an Anwendungsmöglichkeiten von Neurotechnologie führen. Anders gesagt: Aus Science Fiction wird Science Reality. Wir haben jetzt die Chance, gemeinsam als Gesellschaft darüber nachzudenken, welche Regeln wir für die Nutzung der Technologie festlegen, welche Möglichkeiten wir nutzen und welche wir beschränken wollen – damit die Privatsphäre des Gehirns geschützt bleibt. Das ist eine Chance, die wir ergreifen sollten, um nicht, wie bei anderen Technologien, nachträglich Regularien einführen zu müssen.

Warum wird überhaupt an so einer potenziell so mächtigen Technologie geforscht?

Vogt: Einmal geht es um Grundlagenforschung, die herausfinden will, wie das Gehirn genau funktioniert. Ein Beispiel: Viele haben sicherlich schon einmal von EEG-Messungen gehört, der Elektroenzephalografie. Mit vielen Elektroden, die am Kopf angebracht werden, wird die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen und analysiert, wie sie sich bei der Bewältigung verschiedener Aufgaben verändert. Dann gibt es klinische Anwendungsbereiche, bei denen es naheliegt, Gehirn-Computer-Schnittstellen zu nutzen, um gesundheitlich beeinträchtigten Menschen zu helfen. So können Patient:innen, die wegen körperlicher Lähmungen nicht mehr sprechen können, ihre Gedanken an eine Buchstabiermaschine senden und so wieder mit anderen Menschen kommunizieren. Doch inzwischen wird auch an Anwendungen außerhalb des klinischen Bereichs geforscht. Denkbar ist es, dass Gehirn-Computer-Schnittstellen irgendwann in der Zukunft so weit verbreitete Konsumprodukte sind wie heute schon die virtuellen Sprachassistenten namens Siri, Alexa und Co. Denkbare Szenarien sind beispielsweise, Flugzeuge und Fahrzeuge mit Gedanken zu steuern oder dass Menschen so direkt, quasi per Gedankenaustausch, miteinander kommunizieren.

Haben wir dann alle wie beim EEG Elektroden auf dem Kopf?

Vogt: Nein, die Technologie wird immer mobiler, anwender- und nutzerfreundlicher. Geforscht wird zum Beispiel an Lösungen, die man sich wie einen Kopfhörer ins Ohr steckt. In Deutschland und Europa dominieren in der Forschung sogenannte nicht-invasive Schnittstellen, die also von außen an den Schädel angebracht werden. In anderen Ländern wie den USA wird auch stark an sogenannten invasive Lösungen gearbeitet, bei denen die Verbindung im Schädel implantiert ist, das ist aber alles im Forschungsstadium.

Was verraten diese Messungen heute schon über uns und bedeutet das, dass Maschinen tatsächlich unsere Gedanken lesen können?

Vogt: Genau um diese Fragen wird sich unsere Diskussionsrunde am 22. September in Magdeburg drehen. Wir haben mehrere führende Forscher:innen und Expert:innen zu diesem Thema gewinnen können. Sie können anschaulich berichten, was sich aus ausgelesenen Hirndaten schon ablesen lässt und was nicht. Sie können vor allem einen sehr konkreten Eindruck geben, wie eine Zukunft mit dieser Technologie aussehen kann – und was dabei beachtet werden muss.